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Mesopotamische und Persische Kultur


Die alte Zeit

Im mesopotamischen Raum werden früh Gottheiten und Menschen mit Flügeln dargestellt. So etwa die sumerische Urgöttin Ereschkigal, Isthar, die avestische Göttin des Urwassers Anahita, eine vieldeutige Figur auf dem Rollsiegel des Schreibers Adda, der Held Gilgamesch, der babylonische Gott Marduk oder der assyrische Halbgott und Dämon Pazuzu
Es finden sich „Engel“ in den Königspalästen der Assyrer in Ninive, Nimrud oder Dur Scharrukin (heutiges Khrosabad), zum Teil mit Doppelflügeln nach oben und unten, als so genannte Genien, aus riesigen Steinplatten gemeisselt. (Sie ähneln auch den Erscheinungen in der Berufungsvision des Propheten Jesaja.)


Persische Reiche

Die Persischen Reiche übernahmen das kulturelle Erbe Mesopotamiens und bildeten eine Brücke zwischen östlichen und westlichen Kulturen. Innerhalb ihrer wechselnden Grenzen (grösste Ausdehnung um 500 v. Chr von Ägypten und Makedonien bis Baktrien und Gandhara) und aufgrund ihrer religionstoleranten Haltung begegneten sich die verschiedensten Vorstellungen – und damit unterschiedliche Erfahrungsberichte mit geflügelten Wesen.

Marduk streitet mit Tiamat / assyrisches Relief / 9. Jhrd. v. Chr. / Palast Assurbanipals



Die Lehre Zarathustras

Irgendwann inmitten dieses regen Austausches und dieser kulturellen Vielfalt entwickelte sich schliesslich auch die Lehre Zarathustras, deren Symbol bis heute das Faravahar, ein geflügeltes Wesen, ist. Das Symbol Faravahar stellt aber nicht etwa eine Gottheit dar, sondern die menschliche Seele, wie sie vor der Geburt war und nach dem Tod sein wird. In dieser Hinsicht erinnert das Faravahar an die ägyptische Maat. Fara heisst „fliegen“ oder „der Fliegende“ und vahar bedeutet „die Wahl des Guten“ oder „die Wahl des guten Geistes“. Faravahar hiesse dann etwa „der vom guten Geist gewählte Fliegende“.

Herkunft und Entstehungzeit der Lehre Zarathustras sind unsicher. Sie verbreitete sich im Nahen Osten und entwickelte sich innerhalb der wechselnden Grenzen des religionstoleranten Perserreiches zu einer einflussreichen Religion. Im zweiten Persischen Reich unter der Herrschaft Sassaniden erlangte der Zoroastrismus beinahe den Charakter einer Staatsreligion.

Die zuverlässigste Quelle für unsere Kenntnis der Lehren Zarathustras ist die in der Avesta, dem religiösen Buch der Zoroastrier, enthaltene Sammlung der Gathas oder Lieder, welche entweder von Zarathustra selbst oder von seinen Jüngern verfasst sind.
Hiernach ist Gott, welcher die Welt geschaffen hat und erhält, welcher der Anfang und das Ende ist, Ahura Mazd? (der Weise Herr). Von Ihm gehen sechs gute Geister (Erzengel) aus, die sogenannten Yazatas und späteren Amschaspands (Amesha Spentas – „Unsterbliche Heilige“), welche die Eigenschaften Ahura Mazdas verkörpern: Tugend, Wahrhaftigkeit, gute Gesinnung, Demut oder Frömmigkeit, Wohlfahrt, Gesundheit und Langlebigkeit oder Unsterblichkeit und sachliesslich der segenbringende Geist. Ihnen stehen die sieben Daevas, die bösen Dämonen, und deren Herr Angra Manju (Ahriman) gegenüber..
Yazatas sind Wesen, die von Gott ausgehen und ihm dienend zur Seite stehen, sei es nun in der älteren eher klar dualistischen Ausprägung des Zoroastrismus oder in der späteren monothesitischen Ausprägung, nachdem der Gott von Zeit und Raum Zurvan zur Zeit der Sassaniden der Zoroastrischen Religion eingefügt wurde.


Wirkungsgeschichte

Ab 500 v. Chr. war Juda Provinz des damaligen Weltreichs der Perser. Damals kam der jüdische Glaube in Berührung mit Vorstellungen und Erfahrungen aus verschiednenen Religionen – nicht zuletzt auch mit Darstellungen von geflügelten Wesen und Dienern des Guten. Allerdings darf daraus nicht voreilig geschlossen werden, dass die Engel des Alten Testamentes assyrische Vorbilder kopieren. Die Vorstellung himmlischer Wesen begegnet in den verschiedensten Kulturräumen und Epochen – und zwar auch mal ganz ohne Vorbilder.
Später bildete dann das Römische Imperium wieder die Möglichkeit zu regem Austausch religiöser Vorstellungen und Erfahrungen, und zwar wieder aus denselben Gründen, wie lange vor ihm die Persischen Reiche diesen Austausch ermöglichten: grundsätzliche religiöse Toleranz und Expansion. Auf diesem Weg kamen zu späterer Zeit erneut persische Vorstellungen und Kulturinhalte in Umlauf.

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