Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Übersicht

Auf dieser Seite erfahren Sie, welche Rolle das Römische Reich für die Entstehung der Apokalypse spielte:

Das Römische Reich ermöglichte grossräumigen kulturellen Austausch

Das Römische Reich war lange Zeit dem Christentum abwechselnd gleichgültig, misstrauisch oder gar offen feindselig gegenüber eingestellt. Dazu lesen Sie Wissenswertes zum Verhältnis von Christen und Staat,
ferner zum Kaiserkult und zu den Christen-verfolgungen.

Schliesslich widmet sich der letzte Abschnitt der Rolle Roms in der Apokalypse.


Imperium Romanum

Als politische und kulturelle Grösse spielt das römische Reich für die Entstehung der Offenbarung eine entscheidende Rolle - und zwar im positiven und negativen Sinne. Zum einen ermöglichete die weitestgehend tolerante Religionspolitik Verbreitung und Austausch verschiedener kultureller und religiöser Elemente. Zum anderen stellte der Kaiserkult eine Bedrohung und Prüfung des urchristlichen Selbstverständnisses dar.

Die kulturelle Vielfalt

Das römische Reich erstreckte sich im ersten und zweiten Jahrhundert von Mespoptamien bis England und verband durch Handelsbeziehungen den Mittelmeerraum mit Indien. Das Ausmass dieses staatlichen und wirtschaftlichen Raumes und die religiöse Toleranz, die grundsätzlich im ganzen Reich galt, solange sie nicht den staatlichen Kult tangierte, ermöglichten es verschiedenen Kulten und Religionen, sich ungehindert auszubreiten und zu befruchten.

Das Römische Reich und seine Provinzen zur Zeit seiner grössten Ausdehnung unter Kaiser Trajan im Jahre 117. Die Karte ist der entsprechenden Seite bei Wikipedia entnommen.

Eine abwertende Haltung gegenüber den entstandenen Synkretismen ist nicht unbedingt angebracht, denn obwohl es üblich war, die Formen der Religiosität beliebig zu wechseln und zu vermischen, wurde gleichzeitig die Reflexion eigener kultureller und religiöser Elemente im Spiegel anderer Kulturen möglich und erschloss neue Deutungen und Zusammenhänge der eigenen Tradition.
Gerade die Apokalypse des Johannes erfüllt in mancher Hinsicht die Ansprüche interkultureller Bildsprache und ist nicht ohne deren Hintergrund nachzuvollziehen. Darüber hinaus sind es auch die Mysterienkulteund die hellenistische Philosophie, welche mit dem Inhalt der Johannesoffenbarung eng verbunden sind.

Eine Zusammenstellung der am überregionalen Austausch beteiligten Kulturen finden Sie auf dieser Seite unter kulturen.
Hinweise zu den verschiedenen Mysterienkulten, die im römischen Reich vertreten waren, finden Sie auf dieser Seite unter mysterien.
Über den Kontext hellenistischer Philosophie, in dem die Offenbarung steht, lesen Sie auf dieser Seite unter philosophie.

Christen und Staat

Die urchristliche Gemeinde

Die ersten christlichen Gemeinden wurden im römischen Reich nicht anders als eine jüdische Sekte wahrgenommen. Jüdische Gemeinden waren bereits im ganzen Imperium Romanum bekannt. Grundsätzlich erlaubte ihnen das Erste Gebot die ausschliessliche Verehrung des einen Gottes. Da sie aber die Bilderkulte ihrer Umgebung nicht kritisierten, sondern diese einfach für sich selbst ablehnten, galten sie den Römern zwar als unsozial, wurden aber vom Staat toleriert und rechtlich abgesichert.

Der jüdische Hausdiener einer römischen Adeligen, Lee Boardman als Timon in der Fernsehserie "Rom".

Im Schatten der jüdischen Gemeinden wuchs die christliche Urgemeinde, die sich zuerst nur zögernd vom Judentum ablöste. Der Staat liess sie zunächst gewähren und nötigte sie als jüdische Sekte nicht zur Verehrung der Kaiser. Er schützte sie aber auch nicht gegen örtliche Willkür. Zunehmend galt ihre Religion - auch wegen des unaufhaltsamen Wachstums seiner Anhängerschaft - als staatszersetzend und gefährlich. Gleichzeitig verschärften sich aber auch der jüdische Widerstand gegen den römischen Staat, der schliesslich in der Zerstörung des Tempels in Jerusalem und zum Anfang der jüdischen Diaspora führte.
Seit der Trennung vom Judentum wurde das Christentum auch vom römischen Staat als eigener Kult wahrgenommen. Damit verlor der „neue Aberglaube“ den staatlichen Schutz, den er als jüdischer Kult genossen hatte.
Allerdings gab es drei Elemente des christlichen Glaubens, welche ihm eine Dynamik verliehen und wahrschlinlich an seiner weiteren Entwicklung massgebend beiteiligt waren: das diakonische, das kultische und das heilsgeschichtliche Element. Bedeutungsvoll ist dabei, dass das Christentum anders als jüdische Sekten gerade mit diesen Bereichen einen politischen Anspruch verband und Staatskritik oder gar offene Opposition provozierte.

Diakonie:
Bereits die urchristliche Gemeinde kannte die gemeinschaftliche Fürsorge. Witwen, Arme, Kranke und Notbedürftige wurden in der Gemeinschaft mitgetragen - ganz im Sinne der Nächstenliebe. Damit verschaffte sich die Urgemeinde einen sozialen Charakter, der das ausschliessliche Selbstverständnis anderer jüdischer Sekten weit hinter sich liess und wohl viele Menschen zur Teilnahme bewog.


Christus neigt sich als barmherziger Samariter zu einem Geschundenen. Ausschnitt aus dem Codex von Rossano um 600 (Codex purpureus Rossanensis, Folio 7v)

Die Urgemeinde deckte einen Auftrag ab, den wir heute öffentlich-staatlich bezeichnen würden, und stellte damit den politischen Hierarchien und Unterschieden kritisch eine Gemeinschaft freierer Menschen gegenüber. Ein Spannungsfeld in politischer Hinsicht war also auch der Dienst am Nächsten.

[ Die Nächstenliebe wie auch die praktizierende Diakonie sind auch auf dem Hintergrund der Mysterienkulte ein Novum. Dazu mehr auf dieser Seite unter mysterien. ]

Kultus:
Im Kult vermochte das Christentum einerseits die spirituellen Bedürfnisse der Zeit aufzunehmen (indem es die Grundinhalte der mysterienkulte allgemein erfahrbar und zugänglich machte) und andererseits ein Gefühl gleichzeitiger Gemeinschaft und persönlicher Freiheit zu vermitteln (indem es den einzelnen im gemeinschaftlichen Kult mit dem Gott verband).

Fresco einer Frau, die den Kelch zum frühchristlichen Agape-Fest hält. Katakombe von Santi Pietro e Marcellino (Heilige Marcellinus und Peter), Via Labicana, Rome.

Der springende Punkt dabei ist, dass sich für die einzelnen die Beziehung zu Gott weder einseitig an die Gemeinschaft (normativ) noch nur an die eigene Person (spirituell) gebunden darstellte, sondern gleichzeitig gemeinschaftlich wie persönlich.
Dieser Umstand machte es vielen Christen unmöglich, den Gott, mit dem man derart intensiv verbunden ist, zu verraten. Der Gott und die eigene Person waren so innig verbunden, dass der Kaiserkult einer Verleugnung der eigenen Person gleich kam.

Heilsgeschichte:
Die Wirksamkeit Christi hinterliess viele weisheitliche, ermutigende und praktische Botschaften. Sein unerwarteter Tod und die (wahrscheinlich noch weniger erwartete) Auferstehung hingegen warfen viele Fragen aus, welche die Zukunft der Urgemeinde betrafen. Diese Ereignisse schärften in der urchristlichen Gemeinde den Blick für das Geistige (Jenseitige) und führte die Heilsgeschichte zunehmend in eine geistige Perspektive. (Der Auferstandene Christus erschien als Pantokrator, als Weltenherrscher, der am Ende aller Zeit seine Herrschaft vom Wirkungsbereich Gottes her antreten und die Welt in eine neue Schöpfung übergehen lassen wird.)

Christus Pantokrator (Allherrscher) im Jüngsten Gericht.Mosaik im Baptisterium San Giovanni von Florenz, florentinischer Meister, um 1300.

Diese Perspektive beinhaltet einen eindeutig staatskritischen Charakter. Sie stellt die Welt und die Wirklichkeit menschlicher Institution von Grund auf in Frage und fördert das Misstrauen dem römischen Staat gegenüber, wobei letztere Tendenz nicht Teil der Verkündigung Christi gewesen war, sondern sich im Umfeld jüdischer Gruppierungen (Zeloten, Essener, …) und innerhalb der Schwierigkeiten der Urgemeinde entstanden sein dürfte.

Teilnehmer im römischen Staat

Allerdings lagen wohl nicht alle Christen der Urgemeinde mit dem römischen Staat im Konflikt. Wie die Passage des Römerbriefes zeigt, wo Paulus in Kapitel 13 das Verhältnis zwischen dem römischen Staat und den Christen skizziert, gab es zumindest auch die Vorstellung eines friedlichen Nebeneinanders, nach dem das staatliche und öffentliche Leben vom geisltichen und privaten Leben unterschieden wurde.

Der Kaiserkult

Im römischen Kaiserkult verehrte das Volk seine Kaiser. Den amtierenden oder verstorbenen Cäsaren wurden Tempel , errichtet in denen ihre Bildnisse angebetet und Opfer dargebracht wurden. Der Kaiserkult machte sie dadurch zu Gottkönigen.

Der römische Kaiserkult entwickelte sich aus dem antiken Herrscherkult. Im Herrscher eines Volkes vereinigten sich oft rituell-religiöse und militärisch-politische Ansprüche. Er war ein Ausführer göttlichen Willens und für das Allgemeinwohl und die Ordnung verantwortlich. Oft wähnte ihn das Volk bereits zeitlebens im Umfeld der Götter oder glaubte ihn nach dem Tode mit den Göttern vereint. Das bekannteste Beispiel ist sicher der Pharaonenkult.
Der Herrscherkult wurde dann vom Makedonen Alexander dem Grossen weiter entwickelt. Dieser, so glaubte man, wurde wegen seiner grossen Taten und Hilfe für das Volk nach seinem Tod in die Göttergemeinschaft aufgenommen und leistete von dort aus seinen Verehrern weiterhin Hilfe. Durch Eroberungen kamen die Römer mit diesem Herrscherkult in Berührung. Es entwickelte sich die Verehrung von wohltätigen Provinzstatthaltern, dem römischen Volk und der Dea Romana.

Der römische Kaiserkult setzte erst endgültig in der Zeit des Augustus ein, der die göttliche Verehrung des ermordeten Cäsars förderte. Dabei erhoffte er sich wohl, einen allgemein verbindenen Kultus über die lokalen Kulte hinaus für das Imperium zu schaffen und eine kultisch verankerte Einheit und Identität im römischen Reich zu erreichen.


Die Statue Kaiser Augustus in den Vatikanischen Museen, Rom

Die Idee eines vereinheitlichenden Staatskultes steigerte sich allerdings rasch zu einem religiös-ideologischen Totalitätsanspruch des römischen Staates. Die Kaiser Caligula und Claudius verlangten für sich selbst göttliche Ehren. Aber zu einer planmässigen, das ganze Imperium erfassenden Propagierung des Kaiserkultes kam es erst in den letzten Regierungsjahren Domitians, zu jener Zeit also, in der die Offenbarung entstand. Ausgrabungen in Ephesos, der ersten Gemeinde, der Johannes ein Sendschreiben widmet, förderten die Reste eines Domitiantempels und einer Kolossalstatue des Kaisers zutage, die nach seinem Tode gewaltsam zerstört worden war.
In dieser Situation gerieten die Christen in Bedrängnis. Denn die Verehrung des Kaisers kam für die Gläubigen nicht in Frage. Ihre religiöse Haltung erhielt unter dem Druck des Kaiserkultes eine politische Dimension.

Mehr zum römischen Kaiserkult finden Sie hier.

Christenverfolgungen

Die Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte hatten zum Ziel, das wachsende Christentum im Römischen Reich zu unterdrücken. Sie vollzogen sich zunächst als spontane und lokal oder regional begrenzte, später kaiserlich angeordnete, gesamtstaatliche und systematische Versuche, die neue Religion in ihrer Entwicklung aufzuhalten und sie entweder in das römische Gesellschaftssystem zu integrieren oder in ihrer Struktur dauerhaft zu zerschlagen.

The Remorse of Nero (Die Gewissensbisse Neros), John William Waterhouse, 1878, private Sammlung.

[ Sie wandten sich gegen alle christlichen Gruppen, auch solche, welche die Alte Kirche als Häresien ausgrenzte, etwa die Markioniten oder Gnostiker wie die alexandrinischen Karpokratianer. Sie endeten mit der Mailänder Vereinbarung von 313, endgültig mit der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion durch Theodosius I. (380–391). ]

Mehr zu den einzelnen Christenverfolgungen finden Sie bei Wikipedia.

Rom als Widersacher in der Offenbarung

Das Tier, der Satan, der Drache, die Hure Babylon oder die Zahl 666 werden üblicherweise mit dem römischen Rreich oder mit römischen Kaisern identifiziert.

Wer verbirgt sich wohl hinter dem Bild des Drachen?
Die mit Sonne bekleidete Frau und der Drache, der ihr Kind zu verschlingen sucht: eine der Szenen der Apokalypse, Fresko von Giusto de‘ Menabuoi, Apsis des Baptisteriums von Padua.

Damit geht aber grundsätzlich der Horizont einer Offenbarungsschrift verloren. So bestechend es sein mag, die Offenbarung des Johannes als Trostschrift für die seinen zu deuten, so einseitig und schwierig wird eine Interpretation, welche den Text ausschliesslich mit politischen und historischen Verhältnissen in Zusammenhang bringt.
Mehr zur Kritik an diesem Ansatz finden Sie auf dieser Website unter auswirkungen.

Zusammenfassung


Das Römische Reich bot den breitgefächerten kulturellen Austausch (Symbolik, Mysterienkulte, Mythologien), auf dessen Hintergrund die bildgewaltige Offenbarung erst möglich wurde und auf dem sie heute wieder verständlich wird.
Das Römische Reich als hauptsächlichen Widersacher (Satan, Tier, Drache, etc.) der Apokalypse zu verstehen, entspricht aber kaum der ursprünglichen Botschaft und wahrscheinlich auch nicht der Realität der christlichen Urgemeinde, wie u. a. die Lektüre vom Röm 13 zeigt.
In der Offenbarung wird der Machtanspruch der "Könige" der Welt in Frage gestellt, nicht nur derjenige Roms. Das Römische Reich erscheint eher als konkretes Beispiel für den totalitären und menschlich-beschränkten Machtanspruch, der in der neuen Schöpfung und bereits im tausendjährigen Reich aufgehoben sein wird.

Notizen zur Situation im Römischen Reich:

Jüdische Sekten des Altertums

Rekabiter:
Volksgruppe, („Söhne Rechabs“; bzw. Jonadabs Jer. 35,1-19) die ihren Glauben durch strikte Enthaltsamkeit von Weingenuss und festem Wohnsitz demonstriert

Samaritaner:
Während des babylonischen Exils in der Heimat verbliebene Volksgruppe, die sich den Neuerungen durch die im 4. Jahrhundert v. Chr. zurück kehrenden Juden wiedersetzte.

Pharisäer:
jüdische Partei des 1. Jahrhunderts in Palästina, die streng auf die Einhaltung der Gesetze achtete.

Zeloten:
radikale nationalrevolutionäre Gruppe des 1. Jahrhunderts

Sadduzäer:
konservative Partei des 2. Jahrhundert v. Chr. - 1. Jahrhundert. Sie lehnt die mündliche Glaubenstradition ab.

Essener:
asketisch orientierte Gruppe (etwa von 159 v. Chr. - 70) mit einem Gemeinschaftsleben nach Art von Mönchen.

Terapeuten:
Die Therapeuten waren eine der Mystik zugewandte Gruppe jüdischer Einsiedler im Ägypten vom Anfang des 1. Jh. v. Chr.





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