- Vermittler, Begleiter, Verführer

19. Jahrhundert

Allgemeine Vorbetrachtung

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die religiösen Vorstellungen im Namen der Vernunft einer strengen, oft polemisierenden Kritik unterzogen. Engel werden als "depotenzierte" (= entmachtete) Götter" der alten Völker begriffen, die auf Schleichwegen in die Bibel eingedrungen sind. Die Gottes- und Engelerscheinungen wurden in des Bereich des Märchchens, der frommen Legende und sogar des Priesterbetruges verwiesen. Gott, der Schöpfer wurde vorwiegend im Bild des Uhrmachers gesehen.
Die Engel waren für die Theologie überflüssig geworden. Daher behauptete der damalige Kirchenhistoriker Carl August von Hase (1800-1890), die Engel seien durch die "Subtilitäten der Scholastik" zu "metaphysischen Fledermäusen" geworden; in Wirklichkeit gehörten sie dem Bereich der Dichter und Maler an, die den Himmel sowenig ohne Engel darstellen könnten wie den Frühling ohne Blumen.
Ein so bedeutender Theologe wie Schleiermacher (1768-1834) lehnte in seinem grossen Werk "Der christliche Glaube" die Lehre von den Dämonen ab, sie war für ihn lediglich eine menschliche, folkloristische Denkweise, die die biblischen Schriftsteller verwendet hatten, ohne ihre Wahrheit zu garantieren. Nicht so radikal war Schleiermacher in bezug auf die Engel. Der Glaube an sie verträgt sich mit der Schrift. Doch ist er in seinen Augen vollständig bedeutungslos für die grundlegenden Fragen des Christentums.

Protestantismus

Da in der Protestantischen Liturgie die Gegenwart des Wortes und der Heilsgeschichte, die zu den Menschen bei der Feier hier und jetzt herabsteigen, abgelehnt wurde, wich auch allmählich der Bezug zum himmlischen Leben im Gottesdienst. Es brauchte die Anwesenheit derer nicht mehr, welche die Bibel als Bewohner des Himmels beschreibt. So wich das Gefühl, am himmlischen Leben teilzuhaben, und die Engel verschwanden aus der Theologie.
Besondere Schwierigkeiten mit den Engelsgeschichten ergaben sich seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts speziell für die Exegeten. Die Entzifferung durch die historisch-kritische Methode der mythologischen Literatur des Alten Orients machte immer deutlicher, wie die biblischen Geschichten und ihr Inhalt von der Erfahrung der jeweiligen religiösen Umwelt geprägt waren. Man entdeckte, dass selbst die frühen Engelgeschichten der Bibel, in denen die Begegnung mit Gott nur andeutungsweise erzählt wird, kein genuines Erzeugnis der jüdischen Religion waren, sondern aus kanaanäischen und mesopotamischen Mythen und lokalen Heiligtumslegenden stammten, bevor sie in den israelitischen Monotheismus integriert wurden. Man entdeckte zeitgleiche ausserbiblische Literatur des Judentums zum Neuen Testament, deren übermässiges Interesse an Engeln und Dämonen ganz eindeutig auf persische Einflüsse zurückgeführt wurde.
Dies führte zu einer radikalen "Entmythologisierung" der Heiligen Schrift. Der Glaube an den Teufel nahm im Protestantismus stetig ab. Was zuerst als katholisches Machtinstrument der Angst angesehen wurde, schien immer mehr Teil eines rückständigen und abergläubischen Weltbildes zu sein: Die Ablehnung eines realen Teufels hat in der modernen wissenschaftlichen Denkweise einen mächtigen Verbündeten gefunden. Was das volkstümliche Denken früher dem Eingreifen der Dämonen zuschreiben konnte, gilt nun als durch ein wissenschaftliches Denken erklärbar. Soziologie, Anthropologie und Psychoanalyse haben in einem weiten Umfang viele scheinbar diabolische Vorgänge neu erklärt.

Das Erste Vatikanische Konzil (1870)

Im Ersten Vatikanischen Konzil nahm die kahtolische Kirche Bezug auf die Denkstömungen ihrer Zeit. Gegenüber dem Materialismus (der Lehre, es gebe nur Stoffliches) und dem Pantheismus (der Lehre, die Welt sei Gott) betonte die Katholische Kirche Gott als Schöpfer und die Welt als sinngerichtetes Werk Gottes.
Es gibt eine Wirklichkeit ausser der Materie, welche Ursache und Ziel der Welt seien. Gott habe die Engel frei aus dem Nichts erschaffen. (An diesem Konzil wurde auch die Unfehlbarkeit des Papstes beschlossen).

Mormonen

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) versteht unter Engel einen Boten Gottes. Dies kann der Geist eines noch nicht geborenen oder schon verstorbenen aber noch nicht auferstandenen Menschen sein, ein Auferstandener, seltener aber auch ein Mensch während seines sterblichen Lebens.
Joseph Smith (1805-1844) behauptete, ihm seien goldene Platten von einem Engel Moroni (ausserhalb des mormonischen Glaubens nicht bekannt) übergeben worden, der in seinem Erdenleben ein Prophet gleichen Namens gewesen sei. Die Engel Johannes (der Täufer), Petrus, Jakobus und Johannes (die Apostel) und Elijah hätten das Priestertum wiederhergestellt.
Darüber hinaus werden auch bereits auferstandene Menschen, die zwar des celestialen Reiches würdig sind, jedoch nicht durch die ewige Ehe an einen Partner gebunden sind und somit nicht zu Göttern erhöht werden können, als Engel bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es, für alle Ewigkeit Gott, bzw. den Göttern, zu dienen.